Das Programm „Wikipedia Kulturbotschafterinnen und -botschafter“ der Wikimedia Vereine Deutschland, Österreich und Schweiz soll die partnerschaftliche Beziehung zwischen Kulturinstitutionen und den Freiwilligen der Wikimedia-Projekte für Freies Wissen intensivieren – zum Nutzen aller.
Wikipedia-Kulturbotschafterinnen und -botschafter sind fachlich fortgebildete und kompetente ehrenamtliche Ansprechpersonen für Fragen zu Wikipedia, digitalem Kulturerbe und communitybasierten Kooperationsformaten mit Institutionen. Sie bauen Brücken zwischen der ehrenamtlichen Community der Wikimedia-Projekte, den Wikimedia-Organisationen und Kultur- und Gedächtnisinstitutionen.
Diego Hättenschwiler (User:Hadi, im Foto rechts) ist aktuell der einzige Kulturbotschafter der Schweiz. Wikimedia CH hat ihm einige Fragen gestellt. Unsere neue GLAM Leiterin Sandra Becker schildert im Anschluss ihre Erfahrungen und gibt zusätzliche Informationen über das Programm.
WMCH: Hallo Diego, du bist nun seit ein paar Monaten schon der einzige Wikimedia Kulturbotschafter der Schweiz. Bist du damit manchmal etwas einsam?
Diego: Nein, gar nicht. Ich treffe die Kulturbotschafter aus Deutschland einmal pro Monat online. Dort gibt es die Gelegenheit sich auszutauschen und voneinander zu lernen. Aus Österreich ist bisher niemand dabei.
WMCH: Wie sieht deine Tätigkeit als Kulturbotschafter aus?
Diego: Zusammen mit Kulturinstitutionen, in der Wiki-Welt GLAM genannt, organisiere ich Wiki-Ateliers: meistens an einem Samstag sind wir Wikipedians von einem GLAM eingeladen, es kennenzulernen und zu seinen Themen Wikipedia-Artikel zu schreiben und seine Bilder zu verwenden. Im weiteren berate ich GLAMs, wie sie selber bei Wikipedia aktiv werden können oder gebe ihren Mitarbeitenden Einführungskurse dazu. Für Beratungen und Kurse erhalte ich teilweise ein Honorar, so dass ich nicht alles ehrenamtlich mache.
WMCH: Welche Erfahrungen hast du inzwischen gesammelt? Gab es Höhen und Tiefen?
Diego: Schön ist es, im gleichen Feld engagierte Wikipedians zu treffen und ihnen Fragen stellen zu können. Weniger erfreulich fand ich die technischen Diskussionen darüber, welche Software wir für den Austausch unter uns Kulturbotschaftern einsetzen wollen. Mich interessieren mehr die Inhalte als die Software.
WMCH: Die Schweiz ist zwar klein, aber reich an kulturellen Institutionen auf allen Niveaus. Ist es nicht seltsam, dass ausser dir keine anderen Kulturbotschafter*innen zu finden waren?
Diego: In der Schweiz gibt es zwar viele Kulturinstitutionen, aber leider nicht so viele Wikipedians und noch weniger, die in der Vermittlung dazu aktiv sind. Also hätten sich auch nur wenige für dieses Ehrenamt bewerben können.
WMCH: Was spricht dagegen, dieses Programm auch in den anderen Sprachregionen der Schweiz anzubieten?
Diego: Ich fände einen Schweizer Alleingang problematisch, weil es in den kleineren Sprachregionen wohl schwierig wäre, eine Mindestzahl von Kandidat*innen zu finden.
WMCH: Was macht die Zusammenarbeit von kulturellen Institutionen und Wikimedia deiner Meinung nach so attraktiv?
Diego: Beide Seiten können Vorteile aus der Zusammenarbeit ziehen, und die Öffentlichkeit profitiert ebenfalls. Via Wikipedia und ihrer Schwesterprojekte werden die Inhalte der Kulturinstitutionen breiter zugänglich gemacht und wir kommen auch zu Fotos, die wir nicht selber machen könnten,
WMCH: Würdest du dich wieder bewerben?
Diego: Ja, der Anfang war bis jetzt vielversprechend und ich konnte mein Netzwerk erweitern. Gerne gebe ich mein Wissen auch in der Schweiz weiter, auch in anderen Sprachen als Deutsch.
WMCH: Herzlichen Dank, Diego, für die Einblicke, die du uns gewährt hast.
Ein weiterer Kulturbotschafter ist Rudolf H. Böttcher (User:1rhb). Er lebt in Deutschland, ist aber auch in der Schweiz sehr aktiv ist. Er freut sich, wenn Interessierte Kontakt mit ihm aufnehmen und bietet dazu auch seine Email-Adresse an: rhb4biz@gmail.com. Seine Kulturbotschafter-Seite auf Wiki war zum Zeitpunkt des Interviews im Entstehen.
Schweizer Besonderheiten für Kulturbotschafter
Sandra Becker (User:Medea7) ist seit Juli 2022 GLAM Lead bei Wikimedia CH. Bevor sie zu Wikimedia CH kam, war sie als Kulturbotschafterin in Deutschland aktiv. «Ich war die einzige Frau im Programm. Das ist erstaunlich, zumal sehr viele Frauen im Kulturbereich arbeiten», schildert Sandra Becker ihre Erfahrungen. Es ist ihr deshalb ein Anliegen, gezielt Frauen zur Mitarbeit an der Wikipedia zu animieren.
Wikipedia-Autor*innen können sich einmal jährlich für das Kulturbotschafter-Programm bewerben. Momentan wird es nur für die deutschsprachige Wikipedia angeboten. «Eine Erweiterung in andere Sprachregionen fände ich interessant», sagt Sandra Becker. Das Programm ist jedoch neu und eine Ausweitung aktuell noch nicht im DACH-Raum angedacht. Es wäre sicher wertvoll, das Programm in die Westschweiz auszudehnen, um es dann auch in Richtung französischen Sprachraum zu erweitern. In der Schweiz wäre es ein Pluspunkt, wenn deutsch- und französischsprachige Wikipedianer*innen sich als Kulturbotschafter bewerben.
«Natürlich ist es auch möglich, sich für Wikipedia und die Schwesterprojekte zu engagieren ohne Kulturbotschafter zu sein», betont Sandra Becker. Hauptanliegen des Wikimedia-Programms ist es, für mehr Sichtbarkeit für Kulturinstitutionen und deren Digitalisate zu sorgen und diese zur Zusammenarbeit mit Wikipedia-Autor*innen anzuregen. In der Schweiz stehen diverse GLAM-Organisationen bereits seit Jahren in engem Austausch mit Wikimedia CH und der Community. Daher freut sich Sandra Becker umso mehr, die GLAM-Position bei Wikimedia CH zu übernehmen und weiterentwickeln zu können.
Weitere Informationen zum Kulturbotschafter-Program
Foto: Christoph Braun – Eigenes Werk, CC0
Das Interview führte Kerstin Sonnekalb, WMCH