Seit 10 Jahren organisiert Diego Hättenschwiler die Wiki-Ateliers. Dort können erfahrene Wikipedianer*innen und solche, die es werden möchten, sich kennenlernen, im persönlichen Austausch ihre Kenntnisse erweitern und lernen, was es in der Wiki-Welt zu beachten gilt. In diesem Interview gewährt er uns einige Einblicke.

Hallo Diego, erzähle mal, wie ist dieses Format entstanden?

Vor gut 10 Jahren hat die Schweizerische Nationalbibliothek begonnen aktiv zu Wikipedia beizutragen, insbesondere mit dem Hochladen vieler Bilder auf Wikimedia Commons. Das hat mich die Idee gebracht, bei der Nationalbibliothek anzufragen, ob wir dort Workshops zu Wikipedia durchführen könnten. Dank der Zusage konnten wir uns am 24. Mai 2014 erstmals treffen.

Und wie ging es weiter?

Weil die Nationalbibliothek eine riesige Sammlung zu allen Themen der Schweiz hat, konnten alle Teilnehmenden gemäss ihren Interessen recherchieren und Wikipedia verbessern. Und dann erhielt die Nationalbibliothek von der Politik überraschend einen Sparbefehl. Dieser wurde umgesetzt, indem die bisherigen Samstagsöffnungen abgeschafft wurden. Unser Protest dagegen nützte – wenig überraschend – nichts. Also mussten wir ab 2018 einen neuen Ort für die Ateliers suchen. Zuerst konnten wir uns ein paarmal in der Schweizerischen Theatersammlung, ebenfalls in Bern treffen.
Danach wurden wir vom PTT-Archiv und SBB Historic eingeladen, zu ihnen nach Köniz bzw. Brugg/Windisch zu kommen. So entstand aus einer Sparmassnahme unbeabsichtigt eine abwechslungsreiche Reise durch die Schweiz. Es gibt Gedächtnisinstitutionen, die uns einladen, weil z.B. gerade eine Ausstellung aktuell ist. Bei anderen Bibliotheken und Archiven sind wir wiederkehrend zu Besuch. So sind in den zehn Jahren über 60 Wiki-Ateliers zusammengekommen. Auch während der Pandemie haben wir weitergemacht, vereinzelt online, jedoch meist bei den Gedächtnisinstitutionen.

Wie sieht es in der Schweiz aus? Gibt es in den anderen Sprachregionen ähnliche Veranstaltungsreihen?

In Neuchâtel gibt es regelmässige Wikipedia-Treffen zu Themen des Kantons Neuenburg, zum Teil bei den Gedächtnisinstitutionen. Ihre Projektseite: https://fr.wikipedia.org/wiki/Projet:WikiNeocomensia

Finden sich in der heutigen Gesellschaft, die in der Freizeit nach Zerstreuung sucht, noch Leute, die sich in die etwas spröde Wikiwelt einarbeiten möchten?

Es sind nur wenige Neulinge, die aktiv werden. Nach meiner Erfahrung bleiben neu Pensionierte am ehesten dran. Sie wollen etwas Sinnvolles machen und haben oft schon Erfahrung mit Schreiben.

Was kann Wikimedia CH dazu beitragen, damit sich wieder mehr Menschen für die Mitarbeit an der grössten Online-Enzyklopädie zu begeistern?

Leider habe ich kein Patentrezept dafür! Eine Idee wäre zu versuchen, von der Wiki Education Foundation zu lernen. Denn diese Organisation gewinnt in den USA erfolgreich zahlreiche Studierende und Dozierende für Wikipedia. Zuerst innerhalb des Studiums, einige wenige bleiben danach weiter aktiv.  https://wikiedu.org/

Wenn du dir etwas für die Wikiwelt wünschen dürftest, was wäre das?

Das Urheberrecht sollte nur noch zum Schutz von Werken lebender Künstler*innen gelten, welche dies wünschen. Nach dem heute geltenden Urheberrecht sind Fotos in der Regel bis 70 Jahre nach dem Tod der (oft unbekannten) Fotograf*in für Wikipedia nicht verwendbar!

Herzlichen Dank, Diego, für deine Antworten und noch mehr für dein Engagement im und für das Wiki-Movement.

Wer mitmachen möchte findet alle Informationen und Kontaktmöglichkeiten auf der Projektseite Wikipedia: WikiProject Switzerland/ Workshop.