Als Wikipedian in Residence hatte Rudolf H. Böttcher (Benutzer:1rhb/KB) im Dezember 2024 Gelegenheit, Einblick in die historischen Schätze der Stiftsbiliothek St. Gallen zu bekommen und neues Wissen darüber auf Wikipedia sowie Wikimedia Commons zur Verfügung zustellen. Im Folgenden berichtet er über seine Zeitreise zu den Mönchen und Manuskriptschreibern des Mittelalters, die zu dieser unschätzbaren Sammlung des Wissens beigetragen haben.

Rudolf H. Böttcher: “Könnte sich ein Mönch des St. Galler Skriptoriums einen Wikipedian in Resident von heute vorstellen? Ein Mönch, der mit Federkiel und Schabmesser – zur Korrektur – ein Manuskript auf ein Stück Kalbspergament kopiert? Vom 2. bis 6. Dezember 2024 war ich Wikipedian in Resident in der Stiftsbibliothek St. Gallen. Als Wohnung stand mir ein kleines, feines Gästeappartement im Altbau des Klosters neben dem Türmlihaus zur Verfügung, Dusche und WC in einem separaten Raum. Meine Arbeit konnte ich praktisch im Lesesaal frei einteilen. Buchseiten habe ich in einer Hundertstelsekunde auf einen Beschreibstoff kopiert, das auf der Grösse eines Fingernagels dutzende mittelalterlicher Codices fasst. Zugriff hatte ich über Internet auf die nahezu vollständig digitalisierten Codices Sangallensis über e-Codices oder viele andere, wie die Biblioteca Palatina.

Es entstanden für die Rubrik Schon Gewusst? auf der Wikipedia-Hauptseite ein Artikel über die Sammelhandschrift mit dem St. Galler Weihnachtsspiel. Es ist das älteste deutschsprachige Spiel in seiner Art, dessen Urtext aus dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts stammt.

Weitere Artikel für diese Sparte über insulare Buchmalerei, Prachtbibeln auf 220 Schafshäuten etc. können im Monatsabstand folgen. Es entstanden Biographien über Beamte der Fürstabtei, denen ihre Ämter als väterliches Erbe zuwuchsen oder über einen Aufsteiger wie Joseph Leonz Ignaz Sartori von Rabenstein, der nicht im HLS aufgeführt ist. Neben Biographien von Äbtissinnen erhielt auch Anna Heller als Opfer der Hexenverfolgung eine Biographie.

In der Mittagspause bebilderte ich einige Häuser mit Erkern für neue Artikel, wie das „Haus zum Pelikan“ oder das „Haus zur Hechel“, weitere Artikel und Fotos werden folgen. Ergänzt und erweitert wurden und werden die Liste der Kulturgüter, die der Äbte sowie weitere Artikel.

Am Freitag erstellten wir das neue Wikipedia-Konto für die Stiftsbibliothek und in der nachmittäglichen Einweisung konnten die ersten fünf Bilder auf Commons hochgeladen werden. Bis Mitte Januar 2025 folgten fast 500 weitere Fotos.

Nach einer viertägigen GLAM-on-Tour im Mai 2023 durften wir im Juni 2024 einen Tag „nachsitzen“. Dabei entstand die Idee dieses Aufenthalts. Stiftsbibliothekar Cornel Dora und seinen Team von der Stiftsbibliothek sowie Ulrich Lantermann von Wikimedia CH bin ich für die Realisierung dankbar. Schon als Kind habe ich mich viel mit Büchern und der Bibliothek mit meiner Eltern beschäftigt. Ein Höhepunkt war 2007 die Ausstellung „Schätze aus Pergament“ im heimatlichen Frankenthal (Pfalz), in der ich als offizieller Führer auch den Speyerer Bischof Anton Schlembach drei Stunden lang führen durfte.”

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Foto: Stiftsbibliothek St. Gallen, Cod. Sang. 1395, p. 418” , CC-BY-SA-4.0
(Skriptorium des 8. Jahrhunderts: Der Evangelist Matthäus taucht sein Tintenrohr in das Tintenhörnchen, in der Linken hält er das Schabmesser. Das Schreibpult wird durch sein Symbol, den Engel, ersetzt, der Vorlage und Schreibunterlage hält.)